Mitarbeitergespräche wertschätzend führen: Expertentipps von Führungskräfte-Coach Andreas Zaiß
Ein Leitfaden für alle Führungskräfte
Was verpassen Unternehmen, wenn sie keine Mitarbeitergespräche führen und stattdessen Probleme, Themen und Fragen immer nur auf dem Flur besprechen? Ganz einfach: “Sie verpassen wahrscheinlich die Lösung!” – So bringt es Führungskräfte-Coach Andreas Zaiß auf den Punkt. Denn ohne echte Mitarbeitergespräche ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass der Unmut wächst und keine guten Lösungen entstehen.
Mitarbeitergespräche sind wichtige Instrumente für Führungskräfte. Und mehr noch: Sie können der Quell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sein, wenn sie wertschätzend und nicht “von oben herab” geführt werden. Führungskräfte-Coach Andreas Zaiß stand uns im kirschwerk Podcast Rede & Antwort zu diesem wichtigen Thema:
Wann & Wo führt man Mitarbeitergespräche am besten? Wie bereitet man sich darauf vor? Welche 4 Leitfragen enthält ein zielführendes Gespräch? Und wie geht man mit Feedback und kritischen Themen um? Alle Expertentipps von Andreas Zaiß – gebündelt & kompakt – bekommst du in diesem Beitrag. Ein Leitfaden & ein Muss für alle Führungskräfte!
Beitragübersicht:
Die eigene Haltung entscheidet über den Erfolg
Das Allerwichtigste gleich vorweg: Ein gewisses Know-how über strategische Gesprächsführung zu haben, ist gut. Noch wichtiger aber, als die perfekten Fragen zu stellen, ist jedoch die innere Haltung zum Mitarbeitenden und zum Gespräch selbst, so der Experte.
Denn betrachte ich ein Mitarbeitergespräch nur “als notwendiges Übel”, das ich möglichst schnell hinter mich bringen will”, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Habe ich stattdessen ein echtes Interesse am Mitarbeitenden und daran, einen guten gemeinsamen Weg zu finden, dann “wird es eine gute Sache werden im Gespräch!”
Idealer Zeitpunkt & Anlass für Mitarbeitergespräche
Das klassische Format, Mitarbeitergespräche einmal im Jahr durchzuführen, kann Andreas Zaiß nur empfehlen: Auch wenn dieses Format bei vielen nicht so beliebt ist, weil es einen formalen Charakter hat, sei damit aber immerhin gewährleistet, dass es überhaupt stattfindet. Denn das ist in vielen Unternehmen oftmals schon das Grundproblem.
Als Zeitpunkt bietet sich dafür der Jahresbeginn an: “Wenn da so die Gedanken da sind: Was wollen wir dieses Jahr erreichen? Das ist ein wunderbarer Zeitpunkt im ersten Quartal.”
Der Experte legt Führungskräften darüber hinaus ans Herz, es nicht nur bei einem festen Jahresgespräch zu belassen, sondern auch zwischendurch immer wieder das Gespräch zu “anlassbezogenen Feedback” mit den Mitarbeitenden suchen: “Entweder, wenn was besonders gut gelaufen ist, oder auch wenn was schiefgelaufen ist. Dann sollte man unbedingt dieses Mittel Feedback nutzen. Vor allem auch, um Positives zu transportieren.”
Zeitlich sollte man 1 bis 1,5 Stunde pro Mitarbeitergespräch rechnen, da es erfahrungsgemäß auch mal länger dauern kann. Idealerweise plant man es so, dass es keinen unmittelbaren Anschlusstermin gibt, um das Gespräch entspannt führen zu können und ein vorzeitiges Abbrechen zu vermeiden.
3 Punkte zur Vorbereitung auf Mitarbeitergespräche
Für die optimale Vorbereitung auf ein Mitarbeitergespräch legt Andreas Zaiß allen Führungskräften diese 3 wichtigen Punkte nahe:
- Mache dir deine persönliche Einstellung gegenüber dem Mitarbeitenden bewusst!
Was man über den Mitarbeitenden denkt, spielt eine große Rolle, denn jede Emotion wird sich im Gespräch und in der Gesprächsführung widerspiegeln. Daher frage dich vorab: Magst du diese Person bzw. denkst du positiv über sie? Oder bist du eher genervt von diesem Mitarbeitenden, und stresst dich allein der Gedanke, ein Mitarbeitergespräch mit ihm zu führen?
Steht man dem Mitarbeitenden eher kritisch gegenüber, empfiehlt der Experte diese kleine, aber sehr effektvolle Übung:
Überlege dir mindestens drei, besser noch 5 Punkte oder mehr, was du an diesem Mitarbeitenden trotz allem schätzt: Was macht er oder sie gut? Welche Qualitäten bringt dieser Mitarbeitende mit? Mit dieser inneren Vorbereitung wird das Gespräch nicht nur spürbar angenehmer, sondern auch erfolgversprechender laufen.
- Überlege dir, was du erreichen willst mit dem Gespräch!
Frage dich vorab: Was wünschst oder erwartest du dir von diesem Gespräch? Stecke dir klare Ziele, die du gemeinsam mit dem Mitarbeitenden erreichen willst.
- Gebe konkretes Feedback!
Was genau fandest du besonders gut? Was genau hat dich gestört? Und wenn es dich gestört hat, wie wünschst du es dir konkret für die Zukunft? – Feedback sollte immer konkret sein: “Damit der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin auch was damit anfangen kann und nicht einfach nur so eine Unmutsbekundung oder ein Schulterklopfen bekommt”.
Die 4 Fragen eines Mitarbeitergesprächs
Der Einstieg
Um eine gute Gesprächsbasis zu schaffen, in der sich der Mitarbeitende auch öffnen kann, bietet sich die – ehrlich gemeinte – Einstiegsfrage an: “Wie geht es Ihnen?”. Nicht als Floskel gemeint, sondern weil man es wirklich wissen möchte und auch gewillt ist, aufmerksam zuzuhören. Dieser offene Einstieg, in dem sich schon zeigen darf, wie der Mitarbeitende die Situation im Unternehmen erlebt, wie es ihm insgesamt mit der Arbeit und im Team geht: All das schafft relativ schnell eine persönliche Gesprächsbasis.
Kleiner Tipp, falls das Gegenüber eher “wortkarg” bleibt und außer einem “ganz ok” nicht viel kommt:
- Konkrete Nachfragen wie “Und wie gefällt es Ihnen hier so im Team?” oder “Wie kommen Sie mit der aktuellen Situation zurecht?” können schon weiterhelfen.
- Falls immer noch nicht viel kommt, kann man als Führungskraft auch einfach mal schweigen. Schweigen öffnet den Raum für den Gesprächspartner noch weiter und motiviert oft zur Interaktion: “Nach meiner Erfahrung mit mindestens 90 Prozent der Fälle spricht der andere dann weiter”, so Andreas Zaiß.
- Sollte auch dann der Mitarbeitende nicht in einen tieferen Austausch gehen, könnte man auch auf die Metaebene ausweichen und etwas humorvoll provozieren: “Ist wirklich alles ganz ok, oder sagen Sie das jetzt nur, damit wir das Thema erledigt haben?”. Spätestens dann entlockt man dem Mitarbeitenden mehr.
Frage 1: Das Ziel
Wenn du dich als Führungskraft gemäß den 3 Punkten gut vorbereitet hast, dann ist auch ein klares Ziel abgesteckt, das du gemeinsam mit diesem Mitarbeitenden erreichen willst. Ein zielführendes Mitarbeitergespräch führt im Idealfall dazu, dass der Mitarbeitende dieses Ziel dann hinterher in die Tat umsetzt. Im ersten Schritt also gilt es, dieses Ziel dem Mitarbeitenden zu schildern, und ihn dann z.B. zu fragen: “Wie geht es Ihnen mit diesem Ziel?”. Die Antwort gibt erste Rückschlüsse darüber, ob der Mitarbeitende motiviert ist oder ob er Bedenken hat.
Frage 2: Das Commitment
In einem zweiten Schritt geht es um das Commitment, sprich um die Frage: “Sind Sie bereit, an diesem Ziel mitzuarbeiten oder sind Sie bereit, sich für dieses Ziel einzusetzen?” Hier könnte entweder ein klares Ja kommen, oder aber man betrachtet sich gemeinsam die Zweifel des Mitarbeitenden, da diese vermutlich eine Berechtigung haben. Statt diese also einfach wegzuwischen, ist es viel konstruktiver, Möglichkeiten zu finden, diese zu schmälern oder aus dem Weg zu räumen.
Frage 3: Der Lösungsvorschlag
Signalisiert der Mitarbeitende seine Bereitschaft, dann ist der nächste Schritt die dritte Frage: “Wie könnten wir dieses Ziel erreichen? Was könnten Sie dazu tun?” Hier hat der Mitarbeitende die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen.
Diesen Raum zu geben, ist sehr wichtig: Nicht nur dass sich Menschen mit den eigenen Lösungsvorschlägen viel besser identifizieren als mit jenen, die von außen herangetragen werden. Auch sind die Ideen der Mitarbeitenden oft noch praxisnäher und zielführender als die ihrer Vorgesetzten. Von daher sollte diese Chance auf keinen Fall verspielt werden. Selbstverständlich kann der Chef bzw. die Chefin im Dialog immer noch die eigenen ergänzenden Gedanken dazu einbringen.
Frage 4: Die Vereinbarung
Schließlich kommt der verbindliche Part als Quintessenz des Gesprächs: ”Was können wir jetzt vereinbaren? Wann wollen wir wieder über das Thema sprechen? Wie gehen Sie jetzt konkret vor?”.
Mit diesen vier Fragen bzw. Phasen wird das Mitarbeitergespräch zu einem sehr effektiven und zielführenden Instrument.
Das ideale Setting
Im Büro: Möglichst viel Augenhöhe schaffen
Zunächst ist wichtig, sich als Führungskraft bewusst zu machen, dass der Ort des Gesprächs meist das eigene Büro und damit “das eigene Reich” ist. Sprich: Ein Ort, der für den Mitarbeitenden fremdes Terrain ist. Dieses Machtgefälle sollte nicht noch dadurch vergrößert werden, dass man als Führungskraft hinter dem Schreibtisch sitzen bleibt, während der Mitarbeitende davor Platz nimmt.
Wähle daher ein Setting, das für mehr Nähe und Augenhöhe sorgt, z.B. sich an einen Tisch über Eck setzen, ein Getränk anbieten etc. Das entspannt die Situation fühlbar.
Gemeinsamer Spaziergang: Die Alternative für heikle Gespräche
Und für alle, die auch mal heikle Gespräche führen müssen, hat Andreas Zaiß einen ganz besonderen Tipp: Einfach mal das Bürogebäude verlassen und sich auf einen gemeinsamen Spaziergang begeben! Das konnte schon in vielen verzwickten Lagen dazu verhelfen, dass beide Parteien wieder buchstäblich nach vorn schauen – auf ein gemeinsames Ziel.
Ein Spaziergang bietet viele Vorteile: Zum einen ist man draußen auf neutralem Terrain, also nicht im Reich des Chefs. Zum anderen läuft man nebeneinander, muss sich nicht in die Augen schauen (keine direkte Konfrontation) und kann auch besser mal ein paar Augenblicke schweigen, ohne dass es unangenehm wird. Laufen bringt die Dinge einfach eher in den Fluss. Daher kann ein Spaziergang der perfekte Rahmen sein, wenn es um schwierige Themen geht.
Auch hier spielt natürlich die Haltung wieder eine enorme Rolle: Gehe nicht gleich in die Defensive, wenn der Mitarbeitende Probleme benennt, sondern bedanke dich für diese Offenheit. Es hilft auch, wenn du selbst als Führungskraft eigene Schwachpunkte ansprichst, um dem Mitarbeitenden zu zeigen: “Ja, wir sind hier alle nur Menschen, und auch du darfst jetzt Schwächen haben und schwierige Dinge ansprechen”.
Positives Feedback: Ein völlig unterschätztes Instrument
Nach Erfahrung von Andreas Zaiß zeigen sich Führungskräfte zwar gern mal großzügig, wenn es um Anerkennung durch finanzielle Boni geht. In einem Punkt aber sind sie regelrecht geizig: Im Geben von positivem Feedback!
Das jedoch ist ziemlich tragisch, denn hier verpassen Führungskräfte eine echte Chance: “Positives Feedback ist nach meiner Erfahrung eines der besten Instrumente, um Mitarbeiter zu motivieren, und es ist auch noch kostenlos”.
“Ertappen Sie Ihre Mitarbeiter, wenn Sie etwas gut gemacht haben!” – Dieser Satz aus einem Management-Ratgeber bringt es für Andreas Zaiß auf den Punkt. Denn ein Führungsstil, bei denen Chefs ihren Mitarbeitenden möglichst oft die Fehler unter die Nase reiben, ist schon längst von gestern. Heute geht es vielmehr darum, Mitarbeitende zu motivieren und ihre Potenziale zu fördern. Und das geht vor allem über Wertschätzung und positives Feedback, was auch den gesamten Workflow positiv bestärkt “Es motiviert jeden, der da mitmacht. Und im Endeffekt kommen bessere Ergebnisse raus”.
Die 4 größten Fehler beim Feedback
Vor diesem Hintergrund nennt der Experte 4 große Fehler, die Führungskräfte oft falsch machen in puncto Feedback:
Gar kein Feedback geben
Dem Mitarbeitenden gar keine Rückmeldung zu geben oder erst viel zu spät, wenn der Anlass längst vorbei und der Zug “abgefahren” ist, ist eines der größten Fehler von Vorgesetzten.
Nur negatives Feedback geben
Um zu verdeutlichen, wie schwer dieser Fehler wiegt, findet Andreas Zaiß zwei sehr drastische Vergleiche: Immer nur Feedback zu geben, wenn etwas schlecht gelaufen ist – “Das ist wie, wenn du den Menschen kein Wasser zum Trinken geben würdest.” Oder: “Das ist so, als wenn du eine Pflanze immer nur beschneidest, aber sie nie gießt.”
Kein konkretes Feedback geben
Wie bereits erwähnt, ist es sehr wichtig, Feedback nicht pauschal zu formulieren, nach dem Motto: “Das war jetzt wieder total blöd” oder “Oh, das ist super, wie Sie es machen”, sondern zu konkretisieren, auch im Falle von positivem Feedback: Was genau war denn super?
Selbst kein negatives Feedback ertragen können
Und was ist, wenn Führungskräfte selbst Kritik und negatives Feedback erhalten? Auch dafür hat Andreas Zaiß eine Antwort: “Dann ist natürlich der große Fehler, wenn ich da irgendwie rumdiskutiere, mich rechtfertige, versuche es zu erklären oder womöglich sogar sage: ‚Nee, das kann nicht sein, das sehen Sie falsch‚.”
Denn reagieren Vorgesetzte auf diese Weise auf Kritik, war es vermutlich das letzte Mal, dass sie überhaupt ein Feedback von Mitarbeitenden bekommen haben.
Genau deshalb sei es sinnvoll, sich gerade als Führungskraft mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung und Selbstführung vertieft auseinanderzusetzen, so der Experte, um gut mit emotionalen Triggerpunkten umgehen zu können, die einen im Arbeitsalltag und in der Beziehung zu den Mitarbeitenden immer begegnen.
Und hier noch ein Tipp, wie man ganz unmittelbar auf eine Kritik reagieren könnte, die einen persönlich getroffen hat: Andreas Zaiß empfiehlt in einer solchen Situation, durchaus offen zu zeigen, wie es einem damit geht, ohne aber in die Abwehrhaltung zu rutschen. Beispielsweise mit einer Antwort wie dieser: “Der Punkt, den Sie da jetzt ansprechen, Herr Meier, der trifft mich jetzt schon. Vielen Dank für Ihre Offenheit. Da möchte ich echt noch mal in Ruhe drüber nachdenken”. Dabei wird gleichzeitig auch die Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeitenden zum Ausdruck gebracht.
Fazit: Komm ins Tun!
Der Abschluss-Tipp von Andreas Zaiß ist so simpel wie entscheidend: “Einfach machen!” Nach seiner Erfahrung “drücken” sich nämlich viele Führungskräfte um das Führen von Mitarbeitergesprächen, schieben die Arbeit vor und denken, sie hätten keine Zeit dafür.
Dahinter steht oft die Angst, etwas falsch zu machen oder Konflikte auszulösen. Dabei ist genau das der falsche Weg, denn “die Konflikte, die entstehen sowieso. Und der größte Konflikt entsteht dann, wenn ich das Gefühl habe, mein Chef interessiert sich garnicht für mich”, weiß der Experte.
Das ist schade, denn eigentlich gehe es gar nicht darum, das perfekte Gespräch zu führen, sondern überhaupt mal eins. Das nämlich bringt den Stein ins Rollen: “Und sie werden erleben, wie es die Beziehung zu den Mitarbeitern stärkt und wie aus schwierigen Mitarbeitern plötzlich engagierte Mitarbeiter werden.“
Und somit lautet das Fazit von Andreas Zaiß: “Durch Mitarbeitergespräche zeigen Sie Interesse und Wertschätzung und investieren in Ihr Team und in gute Ergebnisse.”